Auf Bundesstraßen und schmalen kurvigen Landstraßen fahren wir durch wunderschön herbstlich gefärbte Wälder, durch Täler und über Berge. Immer wieder erwarten uns dabei tolle Blicke über eines der bekanntesten deutschen Mittelgebirge, dem Erzgebirge.
Die Einladung zu einer Feier im sächsischen Schneeberg nutzen wir gleich als Gelegenheit für einen Tagestrip durch das Erzgebirge. Wieder einmal stellen wir fest, wie schön es vor der eigenen Haustür ist. Man muss nicht immer weit reisen, um beeindruckt zu werden, denn Deutschland hat viele wunderbare Ecken zu bieten.
Das Erzgebirge: Vom Bergbau zum Erholungsgebiet
„Miriquidi“, Dunkelwald – so wurde das Erzgebirge mit seinen dichten Nadelwäldern früher genannt. Es liegt zu Teilen in Sachsen sowie in Böhmen in der Tschechischen Republik. Der Fund kostbarer Erze wie Silber, Kupfer, Zinn, Eisen, Nickel und Kobalt im 12. Jahrhundert gab der Region ihren heutigen Namen. 600 Jahre lang trotzten die Bergmänner mit Hammer und Eisen dem Gestein seine verborgenen Schätze ab. Im 19. Jahrhundert kam der Bergbau allerdings fast vollständig zum Erliegen.
Wiederbelebt wurde der Bergbau nach dem zweiten Weltkrieg, als die damalige Sowjetunion bis ins Jahr 1991 hinein zehntausende Menschen Uranerz für ihr Atomwaffenprogramm abbauen ließ. Über diese Zeit wird offiziell nicht viel geredet. Kommt man aber mit ehemaligen Bergarbeitern ins Gespräch, hört man ernste Geschichten über harte Arbeitsbedingungen und traurige Schicksale.
Heute ist das Erzgebirge in erster Linie ein beliebtes Erholungs-, Wander- und Skigebiet. Neben dem Tourismus sind die für das Erzgebirge typisch handgeklöppelte Spitze und das traditionelle Kunsthandwerk aus Holz wie Schwibbögen, Pyramiden, Lichterengel und Nussknacker wichtige Wirtschaftsquellen.
Der Bergmannsgruß „Glück auf!“ hat seinen Ursprung gegen Ende des 16.Jahrhunderts im Erzgebirge und auch heute noch grüßt man sich hier auf diese Weise. Die Bergleute wünschten sich mit diesem Ausruf gegenseitiges Glück, um neue Erzgänge im Bergwerk zu finden sowie um nach Ende der Schicht unbeschadet aus dem Bergwerk auszufahren.
Unser Tagesausflug durch das Erzgebirge
Schneeberg: Berge voller Uran
In dem hübschen Städtchen mit seinen vielen restaurierten Barockbauten im Stadtkern starten wir unsere Erkundungstour durch das Erzgebirge von West nach Ost. Die Bergstadt Schneeberg steht bezeichnend für den Abbau von Erzen. Der Silberbergbau wich jedoch ab der Mitte des 16. Jahrhunderts dem Abbau von Kobalt und Wismut. Ab 1945 wurde durch die SDAG Wismut (Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft) Bergbau auf Uran betrieben. Was die Bergleute da genau abbauten, wussten die meisten von ihnen jedoch nicht. Durch die radioaktive Strahlung erkrankten viele der Bergleute unter anderem an Lungenkrebs und starben frühzeitig an den Folgen.
In Gesprächen mit Einheimischen und ehemaligen Bergleuten erfahren wir, wie hart die Arbeitsbedingungen damals waren, wie oft Bergwerke einstürzten, Unfälle in den harten Wintern vorkamen und wie kühl man mit menschlichen Verlusten umging.
Der Bergbau hat tiefe Spuren in Schneeberg hinterlassen. Viele Schneeberger sind sehr traditionsverbunden und wahren die Sitten und Gebräuche ihrer Vorfahren.
Wolkenstein: Der Stein in den Wolken
Von Schneeberg geht es die Bundesstraße weiter und nach etwa 40 km erblicken wir das Schloss Wolkenstein, hoch oben auf einem 80m hohen Gneisfelsen gelegen. Am Fuße des Felsens steht ein stillgelegter roter Zug aus DDR-Zeiten, das „Wolkensteiner Zughotel“. Die Mitropa-Wagen werden nach wie vor als Restaurant genutzt. Im gegenüber liegenden Café „burgBlick“ dienen Nähmaschinen-Gestelle als Tische, es gibt leckere Soljanka, sündigen Kuchen und einen schönen Blick auf das Schloss Wolkenstein. Vor allem Anfang Oktober bieten die farbenfrohen Bäume am Fuße des Felsens in der Sonne ein fantastisches Bild.
Cämmerswalde: Idylle mit Kampfjet
Zunächst erscheint der Ort Cämmerswalde recht unscheinbar. Nette renovierte Häuschen wechseln sich mit den typischen grau verputzten DDR-Häusern ab. Von der Hauptstraße zweigen nur wenige kleine Wege und Straßen ab. Keine 200m östlich und westlich der Hauptstraße warten jedoch idyllische Wanderwege über Wiesen und Wälder auf Spaziergänger und Wanderer.
In all dieser Idylle machen wir auch eine seltsame Entdeckung: das Flugzeugmuseum von Cämmerswalde. In einem Garten neben der Gaststätte „Zum Flugzeug“ steht eine Iljuschin Il-14 der DDR-Fluggesellschaft Interflug, welche auch von innen besichtigt werden kann, ein Abfangjäger vom Typ MiG-21 sowie ein Mi-2-Helikopter der sowjetischen Fluggesellschaft Aeroflot.
Grenzerfahrung: Die Tschechische Republik
Nur wenige Kilometer östlich von Cämmerswalde befindet sich ein Grenzübergang in die Tschechische Republik. Unmittelbar hinter dem EU-Grenzschild befinden sich kleine Shops in alten, maroden Gebäuden, die fest in asiatischer Hand sind – auf dem Parkplatz: nur deutsche Autos. Interessiert betreten wir einen dieser Gemischtwarenläden und finden alles was wir brauchen oder auch nicht brauchen: Zigaretten, Alkohol, Schuhe und Rucksäcke, ja sogar Briefkästen. Die Präsentation der Waren ist unattraktiv und dient lediglich dem raschen und günstigen Kauf von Zigaretten. Bei uns wandern nur einige Flaschen tschechisches Bier und Oblaten in den Einkaufskorb.
Freiberg: Die Dönerstadt?
Zu guter Letzt statten wir der Silber- und Universitätsstadt Freiberg einen kurzen Besuch ab, bevor es wieder nach Hause geht. Wir finden: Dönerstadt wäre der treffendere Name gewesen, da sich in der Altstadt ein Dönerladen an den nächsten reiht.
Der gesamte historische Stadtkern von Freiberg steht unter Denkmalschutz. Wir sehen bei unserem Spaziergang durch die Altstadt daher kaum bröckelnde graue DDR-Fassaden. Die meisten Häuser sind frisch saniert, bunt gestrichen und pikobello, wodurch für uns der Altstadt-Charme verloren geht.
Essen & Trinken im Erzgebirge
Nun ja, unsere Meinung zum Essen und speziell zu Restaurants im Erzgebirge ist wohl eher zwiespältig. Zum einen sind die Gerichte liebevoll angerichtet und die Portionen mehr als üppig. Rinderzunge, Eisbein, Leber und Rouladen stehen auf nahezu jeder Speisekarte. Und das alles zu einem wirklich günstigen Preis und sehr freundlichem Service. Zum anderen zählt Quantität jedoch mehr als Qualität. Beispielsweise bekommen wir mitten in der Pilzsaison mehrfach Dosenchampignons serviert und ein großer Salat entpuppt sich als Gemüse-Allerlei (zum Großteil aus der Dose). Im Grunde scheint es darum zu gehen, die Leute für günstiges Geld satt zu bekommen. Kulinarische Höhepunkte – Fehlanzeige. Unsere Teller haben wir dennoch immer geleert.
Unbedingt probieren solltest du die sächsischen Biere der Glückauf-Brauerei. Die Varianten Pilsener und Schwarzbier (frisch gezapft) sowie das Kräusenbier (Flaschenbier) haben uns besonders gut geschmeckt.
UNSER TIPP: Für den „normalen“ Hunger am besten nach einem Senioren- oder Kinderteller fragen, auch wenn du weder Senior noch Kind bist. Die Einheimischen nehmen es dir nicht übel.
Die Traditionsgaststätte „Zum Füllort“ im Kulturhaus „Aktivist“ in Bad Schlema ist dem untertägigen Wismut-Bergbaustollen nachempfunden. Unzählige alte Geräte und Schilder aus der Zeit des Bergbaus schmücken die Wände des Restaurants. Ein sehr schönes Restaurant mit überaus aufmerksamen MitarbeiterInnen sowie sehr üppigen und preiswerten Mahlzeiten.
UNSER TIPP: Sonntagabend um 20 Uhr ist es völlig aussichtlos ein Taxi zu ergattern. Alle ausgebucht! Da hilft nur selbst fahren (und nicht trinken) oder lange vorab ein Taxi bestellen.
Warst du bereits einmal im Erzgebirge? Wie hat es dir gefallen? Wir freuen uns auf deinen Kommentar!
2 Kommentare
Hey Anita, hey Ronny! Ich bin durch Zufall jetzt schon mehrfach durch Zufall auf euren Blog gestoßen und es hat jedes Mal ganz viel Freude gemacht eure Beiträge zu lesen (merci beaucoup, vor allem der zu eurer Bootsfahrt nach Komodo war super spannend)! <3 Dieser Beitrag hier bricht mir jedoch grad ein bisschen mein Herz. Als Reisebloggerin weiß ich natürlich zu gut, dass man an subjektiven Eindrücken nunmal nicht rütteln kann, nur erkenne ich meine Heimat hier überhaupt nicht wieder 🙁 Es war bestimmt auch schwer für euch, weil ihr ja anscheinend individuell unterwegs wart und das Erzgebirge am allerbesten mit Geschichten funktioniert. Die meisten Orte hier brauchen eine Erklärung, um ihre Schönheit selbst zu sehen und ohne Insidertipps von Einheimischen ist man schon manchmal aufgeschmissen (vor allem beim Essen ;)) Solltet ihr zufällig mal wieder kommen, schreibt mir gern ne Mail, dann schick ich euch entweder ein paar Tipps oder nehm euch, wenns passt und ihr Lust habt, mal mit auf eine kleine Tour! Ganz liebe Grüße, Magda
Hallo liebe Magda,
schade, dass dir unser Beitrag zum Erzgebirge nicht gefallen hat. Danke für dein Feedback dazu!
Das Erzgebirge hat super schöne Landschaften und viele hübsche kleine Städchen. Wir unternahmen nur einen kurzen Tagesausflug innerhalb der Region, sodass unser Beitrag sicherlich nur eine Momentaufnahme zeigt – ohne die genauen Hinergründe zu kennen.
Gerne kommen wir auf dein Angebot zurück und melden uns, sobald es uns wieder in die Region verschlagen sollte.
Liebe Grüße, Anita